Als plötzlich die Zeit still stand 2. Teil

Zwei Stufen tiefer stand man in dem verschlossenen Geschäft, das ich bei meiner Ankunft von der Straße aus sah, was im Normalfall nichts ungewöhnliches wäre. Die Wände waren mit eierschalenfarbenen und der Boden mit hellgrauen Fliesen gekachelt. Von der Decke hingen zwei lange und breite Neonlampen, an den Wänden waren Bilderrahmen mit Meisterbriefen der Innungen. Den eigentlich kleinen Raum füllte eine L-förmige Verkaufstheke aus, mit Glasscheiben an den Vorderfronten, im Hintergrund des Raumes konnte man eine verschlossene Kühlzelle erkennen. Im Arbeitsbereich hinter der Theke stand eine mechanische große Waage und eine alte Registrierkasse. Es lagen sauber gescheuerte große Holzbretter, Messer in verschiedensten Größen, Fleischgabeln, Papiertüten und Papier zum Einwickeln der Ware, fein säuberlich und griffbereit an seinem Platz. Eine wirklich große Wurstschneidemaschine wartete auf ihren nächsten Einsatz. Der Laden war eine verschlossene Metzgerei, die Fleisch- und Wursttheken aber waren leer, nur die rechteckigen Metallschalen und Tabletts befanden sich darin. Alles unglaublich sauber und das wenig einfallende Licht durch die Schaufensterscheiben spiegelte sich in den makellos glänzenden Glasscheiben der Theken. Die Fleischerhaken an den Wänden warteten auf Salamistangen und geräucherte Wurstwaren und Schinken. Das einzige was in dem Geschäft fehlte waren die Lebensmittel die man hier verkaufte, alles andere war bereit um bald wieder Kunden zu bedienen.

Was mir die zierliche Frau dann sagte, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Die Metzgerei wurde geschlossen als ihr Ehemann, der Metzger, plötzlich und unerwartet verstarb, alles war noch genau so wie zu dem Zeitpunkt als man die Ladentüre für immer verschloss. Danach betrat außer der kleinen Dame keiner mehr das Geschäft und keiner hat dort geputzt, dennoch war alles unbeschreiblich sauber. Sie zeigte mir in einem verblichenen altem Album Fotografien von der Eröffnung der Metzgerei 1955, auf denen ein stolzer Metzger, eine glückliche Ehefrau und viele Kunden die in den Fotoapparat lächelten, zu sehen waren. Sie führte mich noch in den Keller des Hauses, in dem das Ehepaar selbst Wurst und Fleisch geräuchert und Wurstwaren hergestellt hatte, Räucherkammer, Maschinen und Geräte warteten sauber und geduldig. Ich fühlte im Laden immer noch die große Betriebsamkeit der Menschen, die Freude der Kinder über die geschenkte Scheibe Wurst oder manchmal sogar ein Wiener Würstchen und eine ungeheure Zufriedenheit.

Das Unheimlichste aber an dem ganzen Erlebnis war, das der Ehemann vor über 30 Jahren verstarb und die Metzgerei wenige Tage danach für immer geschlossen wurde. Seit diesem Tag hatte sich absolut nichts verändert, selbst der Staub traute sich nicht das Andenken zu zerstören. Die Zeit stand nach dem Tod des Metzgers plötzlich still und alles wartete darauf, auch die kleine alte Dame, dass er zurückkommt die Ladentüre und die Jalousien wieder öffnet und das Geschäft erneut zum Leben erwacht.

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