Die Bibliothek (Das Vergessen)

Unauffällig macht sie sich im Alltag bemerkbar und irgendwann ist dieser nicht mehr planbar, dabei muss jetzt alles geplant werden. Die Rollen im Leben verändern sich plötzlich und kein Tag ist mehr wie der andere. Am Anfang sind es nur kleine Hinweise, die man aber nicht als nennenswert betrachtet oder als sonderlich zuordnet, nur wenn die Zeit voranschreitet und die Merkwürdigkeiten sich häufen legt man sein Augenmerk doch mehr darauf. Es war doch früher nicht so prägnant, aber jetzt ist fast täglich ein Vorfall. Erst wenn wirklich Dinge passieren die uns wachrütteln, sind wir entsetzt von der Erkenntnis, dass bei Mutter oder Vater Demenz diagnostiziert wird. Aber selbst jetzt verstehen wir nicht, warum bestimmte Handlungen so stattfinden und die Schuhe zum Beispiel im Kühlschrank landen. Warum werden Menschen plötzlich als Fremde bezeichnet, die jahrelang schon zum engsten Bekanntenkreis gehören? Leider reagieren wir als Angehörige meist mit absolutem Fehlverhalten von unserer Seite sind korrigierend, unverschämt und beleidigend mit unserem Vokabular, immer in der großen Hoffnung die für uns absurde Denkweise und Handlungen damit rückgängig machen zu können.Wir und unsere Verwandten sind mit dieser neuen Situation absolut überfordert, jetzt besteht dringend Handlungsbedarf damit die Lage nicht ausartet und gefährlich wird. Unsere Verwandten und auch wir brauchen nun dringend Hilfe von Fachleuten und das möglichst schnell.

Vielleicht wenn man versteht, das ein Teil unseres Gehirns wie eine Bibliothek ist und bei dieser Krankheit immer wieder ein Jahrbuch aus den Regalen dieser Sammlung verschwindet als würde es sich in Luft auflösen, vielleicht ist es uns dann eher möglich zu verstehen, was im Demenzkranken Gehirn passiert. Die aktuellen Jahrbücher, also unser Kurzzeitgedächtnis sind verloren gegangen und unwiederbringlich verschwunden. Leider werden immer weitere Bücher verblassen, bis auf ein paar wenige, in denen Erinnerungen eines jungen Lebens gespeichert sind. Irgendwann müssen wir dann leider auch erkennen, dass es diesen Menschen, so wie wir ihn gekannt, geachtet und bewundert haben nicht mehr gibt. Plötzlich müssen wir alles aus einer anderen Perspektive sehen und verstehen, die Kommunikation wird deutlich schwieriger. Viele Angehörige neigen dann dazu den Verwandten nicht mehr in Gespräche mit einzubeziehen und das Verhalten wird auf eine gewisse Weise würdelos, was noch schmerzhafter für Mutter oder Vater ist, plötzlich ignoriert zu werden. Auch lapidare Entscheidungen werden ohne vorherige Fragen an den Kranken getroffen, welche Kleidung getragen wird, welcher Essenswunsch besteht und so weiter und der Betroffene vereinsamt zunehmend in seiner immer kleiner werdenden Welt der Erinnerungen.

Eines aber sollten wir niemals vergessen, egal wie ungewohnt, vielleicht merkwürdig und fremd plötzlich das Verhalten und die Aussagen eines Demenzkranken auf uns wirken, er liebt uns immer noch wie früher, denn dieses Gefühl ist ganz tief in ihm verankert und wird niemals vergessen werden!

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